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Dr. Eckehard Büscher, Leiter Netzwerk bei der EnergieAgentur.NRW nimmt im Interview Stellung zu aktuellen Entwicklungen am Strommarkt. (Foto: EnergieAgentur.NRW)

Strompreis quo vadis?

Die Förderung für erneuerbare Energien wird weniger. Weltweit steigt der Strombedarf. CO2-Zertifikate sind im Laufe des Jahres teurer geworden. Wie diese und weitere Faktoren sich auf den Strompreis in Zukunft auswirken können, erklärt Dr. Eckehard Büscher, Leiter Netzwerk Energiewirtschaft – Smart Energy bei der EnergieAgentur.NRW, im Interview.


Herr Dr. Büscher, der Preis für CO2-Zertifikate hat sich im Laufe des Jahres vervierfacht. Was hat das für Folgen für Unternehmen?

Über die Gründe für diese Entwicklung wird zurzeit viel spekuliert. Fest steht, dass Unternehmen, die auf erneuerbare Energien setzen, belohnt werden. Alle anderen können sich dafür natürlich nichts kaufen. Dennoch halte ich mit Blick auf die gesamtgesellschaftlichen Folgen die CO2-Zertifikate oder eine CO2-Steuer für hilfreich. Damit können relativ einfach und verursachergerecht schädliche Emissionen reduziert werden. Kosten zum Beispiel für die Erhöhung von Deichen, weil Überschwemmungen als Folgen der Erderwärmung häufiger werden, tragen schließlich alle.

Wie können Unternehmen hier Sicherheit gewinnen, wenn die Gründe für diese Entwicklung nicht eindeutig sind?
Meine Empfehlung geht da an die Politik. Würde sie eindeutige Rahmenbedingungen dafür definieren, dass die Preise für CO2-Zertifikate in Zukunft weiter steigen, könnten Unternehmer sich darauf einstellen und hätten Sicherheit bei Investitionen für Effizienzmaßnahmen.

Wenn die Großhandelspreise steigen – unter anderem aufgrund der höheren Preise für CO2-Zertifikate –, welche Möglichkeiten haben Unternehmen zu reagieren?
In den letzten Jahren ist die Energieeffizienz insgesamt gestiegen und der Energieverbrauch je Produkt gesunken. Dennoch besteht nach wie vor in vielen Branchen die Möglichkeit, den Verbrauch weiter zu senken. Dies wird umso wirtschaftlicher je höher die Strom- oder Erdgaskosten sind.
Darüber hinaus haben viele Unternehmen gerade aus dem produzierenden Gewerbe die Möglichkeit, von im Viertelstundentakt schwankenden Preisen an der Strombörse zu profitieren. Durch diese Flexibilität können sie günstige Strompreise während sonniger und windiger Phasen nutzen. Dies setzt allerdings voraus, dass ihr Stromversorger auch diese Flexibilität nutzt und variable Tarife anbietet.

Wir haben jetzt die ganze Zeit von steigenden Stromkosten gesprochen. Wo können Unternehmen denn sparen?
Das kommt stark auf die Branche an. Produzierende Gewerbe haben vermutlich im Sinne der eigenen Kostenersparnis bereits vieles dafür getan, Produktionsprozesse so energieeffizient wie möglich zu gestalten. Aber die Erfahrungen der EnergieAgenturNRW-Berater zeigen, dass immer noch viel ungenutztes Potenzial besteht, um den Verbrauch zu reduzieren oder flexibler zu gestalten. Auch bei der Beleuchtung – übrigens häufig der größte Einzelposten beim Stromverbrauch in Büros – oder der Servertechnik besteht großes Stromsparpotenzial. Der günstigste Strom ist schließlich der, der gar nicht erst verbraucht wird.

Seit 2015 sind Großunternehmen gesetzlich verpflichtet, regelmäßig einen Energieaudit durchzuführen. Lästige Pflicht oder bietet das Vorteile?
Grundsätzlich halte ich es immer für sinnvoll, eingefahrene Prozesse auf den Prüfstand zu stellen. Heute liegt ein Unternehmen vielleicht noch über der aktuellen Energieeffizienz-Benchmark. Morgen kann das aufgrund der rasanten Entwicklungen in dem Bereich schon anders sein und man verschwendet Energie und Geld. Auch deshalb lohnt sich ein regelmäßiger Audit.

Und was können kleine und mittlere Unternehmen (KMU) tun?
Auch KMU profitieren von einem Energieaudit. Eine freiwillige Energieberatung belohnt der Staat in ihrem Fall sogar und erstattet bis zu 80 Prozent der Kosten.

Welche Auswirkungen werden die geplante Reduzierung der EEG-Umlage und der Förderung von Photovoltaikanlagen für Gewerbetreibende haben?
Für die Gewerbetreibenden, die die EEG-Umlage zahlen, ist das natürlich ein Vorteil. Interessant wird es, wenn man sich die Unternehmen anschaut, die in eine Photovoltaikanlage investiert haben.

Inwiefern?
Die Förderung ist zurückgegangen, weil die Investitionskosten gesunken sind. Die Förderung richtet sich nach dem Jahr der Inbetriebnahme. Ab der Inbetriebnahme wird für 20 Jahre jede erneuerbar produzierte kWh mit einem festen Satz gefördert. Nach 20 Jahren sind die Anlagen in der Regel abgeschrieben. Dann kann das Unternehmen quasi kostenlos produzieren – nach und nach werden in den nächsten Jahren immer mehr Anbieter Strom für fast Null produzieren.

Mit welchen Konsequenzen?
Ich gehe davon aus, dass die Stromkosten langfristig sinken und dass wir uns Lösungen überlegen müssen, wie wir mit einem Stromüberschuss umgehen. Da kommt wieder das Thema Speicher ins Spiel. Interessant für Privat- und auch Gewerbekunden kann dann „Power to X “ sein. „X“ kann für Wärme, aber auch für Erdgas oder für Mobilität stehen. Mal angenommen wir haben in Zukunft überall Elektromobilität. Dann könnten die Kunden die Elektrobatterien ihrer Fahrzeuge in ungenutzten, fest definierten Zeiträumen den Stadtwerken als Speicher zur Verfügung stellen. So könnten die Stadtwerke dort gespeicherten Strom bei Bedarf ins Netz verkaufen. Im Prinzip haben wir jetzt schon die Technik dafür, nur eben nicht genug Elektrofahrzeuge. Aber auf diesem Gebiet ist seitens der Automobilanbieter sehr viel in Bewegung.

Lohnt es sich noch, für Gewerbetreibende trotz der geringeren Unterstützung in Photovoltaikanlagen zu investieren?
Ich würde sagen ja. Nicht nur die Kosten für die Anlagen sind gesunken, auch die Kosten für die Speicher – und das eklatant. Wer ausreichend Fläche für beides hat, sollte den Bau einer Photovoltaikanlage überdenken. Es kommt selbstverständlich immer auf den Einzelfall an. Bei Fragen dazu beraten wir von der EnergieAgentur.NRW ebenso wie die Stadtwerke gerne.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Errichtung von Windkraftenergieanlagen in NRW wurden deutlich verschärft. Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund die Zukunft der Windkraftenergie?
Zwar haben sich die Auflagen verschärft, aber ich denke, das wird die Windkraftenergie auch in NRW nicht weiter aufhalten – es gibt noch einige geeignete Flächen.

Ein Blick ins Ausland: In China, Brasilien, Indien steigt der Strombedarf. Hat das Auswirkungen auf den deutschen Strommarkt?
Indirekt! Eine direkte Folge des steigenden Strombedarfs in diesen Ländern ist, dass die Preise für Photovoltaikanlagen stark gesunken sind. Da kann ich nur wiederholen, dass es sowohl für Privatpersonen als auch Unternehmen rentabler geworden ist, mithilfe der Sonne eigenen Strom zu erzeugen und zu vermarkten.
Außerdem entstehen in diesen Ländern auch interessante Märkte für den Anlagenbau. Betreiber und Planer können die Erfahrungen aus Deutschland dort einbringen und vermarkten.

Welche Rolle spielen Stadtwerke in Ihren Augen auf dem deutschen Strommarkt?
Die Stadtwerke sind das Rückgrat der regionalen Stromversorgung und der Energiewende. Sie haben zum einen den Vorteil, dass sie im direkten Kontakt mit den Kunden stehen. Zum anderen – und das ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal – sind sie regional und gesellschaftlich eingebunden: Ihr Gewinn kommt der Kommune zugute. Überdies helfen sie den Kommunen dabei, die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen.

Welchen Einfluss haben die Stadtwerke eigentlich auf den Strompreis?
Mehr als die Hälfte des Strompreises werden für Steuern und Abgaben fällig. Das können die Stadtwerke als Versorger nicht beeinflussen.

 

Kontakt
Dr. Eckehard  Büscher
Leiter Netzwerk Energiewirtschaft - Smart Energy
EnergieAgentur.NRW
c/o RWI4
Völklinger Str. 4
40219 Düsseldorf
Telefon: 0211/21094415
E-Mail: buescher@energieagentur.nrw

 

Ansprechpartner bei den Stadtwerken Essen zum Thema Strom

Holger Sparka, Tel. 0201 / 800 - 1410
E-Mail: holger.sparka@stadtwerke-essen.de